Fotos: Kay Strasser
Neue Hörspielstudios beim WDR
Seit August 2010 sind die neuen Hörspielstudios 6 und 7 im vierten Stock des WDR-Funkhauses am Wallraffplatz in Betrieb. Im Dezember 2009 erhielt die Medialogic GmbH in Berlin den Zuschlag über die Erneuerung dieser Hörspielstudios.
Der Auftrag beinhaltete die Ausstattung der kompletten Audiotechnik, die Integration neuer Mischpulte und digitaler Audio-Workstations in allen vier Studios – also den beiden Haupt- und den beiden Nebenregien, die technische Ausstattung der Aufnahmeräumen, sowie die Integration bereits vorhandenen Equipments. So wurden die beiden Hauptregien 6 und 7 jeweils mit den neuen Lawo Mischpulten mc² 66 MK II ausgestattet. Die Lawo-Mischpulte sind über eine NOVA 73-Kreuzschiene mit den modularen Schnittstellensystemen der DALLIS-Serie ausgestattet. Alle Signale der Studios lassen sich völlig frei mit jeder der vier Regien verbinden. Eine Lawo NOVA 17 dient der Anbindung an den Schaltraum.
Hauptregie 7 vorne mit der Fairlight Xynergi DAW und hinten die Lawo mc²66 MK II Konsole
Jede Hauptregie ist mit einem Fairlight Xynergi als DAW ausgestattet, welches via MADI an die Lawo-Kreuzschiene angebunden ist und Recording, Editing und Mixing von jeweils bis zu 230 Audiospuren ermöglicht. Die beiden Nebenregien, die auch völlig autark sind, sind jeweils mit den neuen Fairlight-Systemen der EVO-Serie in einer 3-Bay-Version mit jeweils 16 Fadern ausgestattet. Die Basis der Systeme bildet die, leistungsfähige CC-1 Karte, die pro System jeweils einen FPGA-Prozessor beherbergt und in einem Medialogic Alpha PC als Host untergebracht ist. Des weiteren verfügt jede Nebenregie über ein Lawo crystal Pult, welches ebenfalls an der Lawo-Kreuzschiene aufliegt.
Alle PC-basierten Systeme sind über Blackbox Extender und vier ServSwitch DKM16x16 Matrixen angebunden, so dass sämtliche Rechner im Maschinenraum untergebracht werden konnten und deren Bildschirme flexibel auf die einzelnen Arbeitsplätze der Haupt- und Nebenregien geschaltet werden können. Neben der gesamten Ausstattung des Komplexes mit neuer Technik übernahm Medialogic auch die Werksplanung und die komplette Verkabelung und Anbindung an den Maschinenraum, sowie den Bau des Maschinenraums.
Die Studios 6 und 7 gab es schon, wurden aber komplett erneuert. Dabei wurde nicht nur neue Technik installiert sondern die Studios wurden auch was die Grundrisse anging, komplett verändert. Damit wurden die Studios den Anforderungen, die beim WDR in nächster Zeit in diesem Produktionsbereich erwartet werden, bzw. schon anstehen, angepasst.
Der Gebäudeteil wurde dazu bis auf die Grundmauern komplett entkernt. Von der Klimatechnik, über die Akustik und die Elektrotechnik und technische Ausstattung wurde alles auf den neuesten Stand gebracht. Da sowie so eine Sanierung anstand nahm man diese Gelegenheit beim Schopfe und verband die Gebäudesanierung mit der technischen Erneuerung. Bis auf einen Raum haben sich alle Grundrisse verändert.
Baulich gibt es da auch einige Besonderheiten. So hängt der vierte Stock quasi am fünften Stock. Im dritten Stock befindet sich die Decke vom großen Sendesaal, die akustisch entkoppelt ist. Also auch hier eine besondere Herausforderung. Die Technik, wie Rechner, Server, Router etc. ist übrigens nun komplett im fünften Stock untergebracht. In den Studios stehen also nur noch Remotes.
Was die Akustik angeht so wurde diese von dem hauseigenen Akustiker zusammen mit den Architekten geplant. Die Akustik ist in den Aufnahmeräumen besonders wichtig, da beim Hörspiel auch innerhalb eines Raumes sehr unterschiedliche akustische Anforderungen bestehen. Man braucht also nicht einfach ein gut klingendes Studio mit einer konsistenten Akustik sondern die Variabilität der Akustik spielt eine große Rolle.
Hierzu sind in den Studios Bereiche mit unterschiedlichen akustischen Eigenschaften gebaut worden. Weiter gibt es große Vorhänge und Stellwände zur individuellen akustischen Modellierung. Darüber hinaus gibt es Emporen und auch verschiedene Bodenbelege. So sind Treppen z. B. rechts und links mit unterschiedlichen Belegen ausgestattet. Selbst eine „Nasszelle" gibt es, um akustisch alles notwendige an Geräuschen erzeugen, bzw. aufnehmen zu können. Diese Maßnahmen sind auch erforderlich denn Hörspiele werden beim WDR zum Teil auch Live produziert, wo dann z. B. keine Soundbibliothek genutzt werden kann und man mit realen Geräuschen in Echtzeit arbeitet.
Die Planung und Durchführung hat ca. eineinhalb Jahre gedauert. In dieser Zeit mussten Produktionen auch ausgelagert werden. Da die Produktionsbereiche 6 und 7 im Zweischichtbetrieb gefahren werden - eine nicht ganz einfache Aufgabe. Hier wurden eigene Studios im Hause und auch externe Ausweichstudios genutzt. Dies war schon eine Herausforderung denn nicht alle Studios sind so ausgestattet und können so produzieren, wie es die WDR-Crew gewohnt ist. Es gab auch eine länger andauernde Probephase vor der Inbetriebnahme.
Die Menge der Produktionen, die beim WDR in diesem Segment gefertigt werden, ist nicht ohne: so sind es 100 Hörspiele und 100 Features pro Jahr. Kein Sender in Deutschland produziert da mehr. Eine Hörspielproduktion dauert im Schnitt zwei Wochen. Damit dürfte auch klar sein warum man diesen immensen Aufwand betrieben hat. Die technischen Neuerungen hatten dabei aber nicht nur das Ziel einer schnelleren, wirtschaftlicheren Produktion und flexibleren Studionutzung sondern einer qualitativen Verbesserung der Resultate.
Dabei ist anzumerken, dass fast alle großen Produktionen auch auf CD erscheinen und neben der Übertragung via analoges FM-Radio nutzt der WDR für die Distribution seiner Hörspiele auch DVB-S. Hierzu werden häufig auch zwei Fassungen erstellt, also eine Sendefassung und eine für die CD-Veröffentlichung, wo die Klangerwartungen natürlich besonders hoch sind.
Besonders erwähnenswert ist die Tatsache, dass die Studios nun alle vernetzt sind. Damit erhöht man die Effizienz der Studioinfrastruktur deutlich. Über eine digitale NOVA-Kreuzschiene von Lawo werden die Signale von den Aufnahmeräumen den Studios bereitgestellt. Die Umschaltung in den Studios erfolgt über einfach über Tastenfeld in der Lawo-Konsole, bzw. in den Nebenregien über ein extra Tastenfeld. Die Kommandowege werden ebenfalls entsprechend automatisch aufgeschaltet. Auch die Umschaltung zwischen der Fairlight- und Sequoia-Produktionsumgebung erfolgt in den Nebenregien einfach mittels Knopfdruck. Weiter sind die Studios nun alle einzeln betretbar, ohne ein anderen Raum durchqueren zu müssen. Dies gestattet nun einen parallelen Betrieb der Studios.
Der Anteil der Surround-Produktionen in diesem Segment beträgt beim WDR übrigens 15 Prozent, mit steigendem Anteil. Auch hier ist man nun also technisch besser aufgestellt. Jeder Regieraum kann sich auf einen der Aufnahmeräume aufschalten und das ohne Kollisionen. Dafür sorgen Sicherheitsmechanismen.
Die MC²66 MK II Pulte von Lawo wurden gegenüber dem Standard aufgerüstet um spezielle Anforderungen des Projektes zu erfüllen. Die Lawo-Pulte werden in verschiedensten Produktionsbereichen, wie z. B. auf den Ü-Wagen, eingesetzt und so sind auch alle Toningenieure damit auch vertraut und man ist personell flexibler.
In den beiden Nebenregien steht die neueste Fairlight-Workstations Evo. Hier war ein sehr enger Kontakt mit den Entwicklern gegeben und die WDR-Planung hat hier sehr gute Erfahrungen machen können. So war es möglich Wünsche und Vorstellungen des WDR in die Software-Entwicklung einfließen lassen zu können. Parallel zum Fairlight´-System steht in den Studios auch noch Sequoia von Magix zur Verfügung. Sequoia ist beim WDR die Standard-Produktions-Workstation, wobei im Bereich des Hörspiels, und das nicht nur beim WDR, das Fairlight-System sehr stark etabliert ist. Hier ist über die Jahre sehr viel von dem zum Teil sehr speziellen Bedarf in den Hörspielstudios in die Software eingeflossen. Die Fairlight- und Sequoia-Software läuft übrigens auf den selben Rechnern.
Bei der Planung hat man sich für Mischsysteme in den Hauptregien entschieden. Hier arbeitet man häufig mit vielen Personen gleichzeitig, also mit Toningenieuren, Technikern und Regisseur zusammen, und es besteht die direkte Einflussnahme auf das Geschehen. Bei einem reinen Workstations-Einsatz wäre die gemeinsame Arbeit an einer virtuellen Oberfläche und der kreative Dialog unter den Mitarbeitern nur schwer möglich. Besonders wichtig bei den technischen Neuerungen sind auch die Möglichkeiten der Mischpultautomation sowie die deutlich erhöhte Anzahl der Aufnahmespuren, besonders für den Einsatz bei Surround-Produktionen.
Auch mit Outboard-Equipment sind die Studios sehr gut ausgestattet. So stehen in den beiden Hauptregien je ein tc electronic M 6000 und Finalizer, Eventide Harmonizer 8000, Quantec Yardstick, SPL Channelstrip Frontliner sowie ein Manley Röhrenkompressor. Neben dem Waves Broadcast-Bundle und Altiverb wird auch je ein Lawo-Plug-In-Server genutzt. Als Abhörmonitore stehen einmal ein B&W 803D Surround-System sowie ein Teufel System 5 THX Select Surround-Setup bereit.
In den beiden Nebenregien wird auch das Waves Broadcast-Bundle, Altiverb sowie die Lawo Plug-Ins eingesetzt. Neben einem Lexicon 480L und tc electronic PowerCore 6000 kommt der SPL Frontliner noch zum Einsatz. Als Abhören wird eine Stereosystem bestehend aus zwei B&W 803D sowie ein 5.1-System von Teufel genutzt.
Interessant ist auch, dass alle erstellten Geräusche in einer zentralen Bibliothek zur späteren Verwendung abgelegt werden. Hierbei werden die Produktionsinformationen als Metadaten abgelegt. Auch die früher aufgenommenen Geräusche sind mittlerweile alle digitalisiert, zum Teil restauriert und dann archiviert worden. Über eine Recherche-Software kann man die Bibliothek in den Studios durchsuchen.
Alles in allem also eine wirklich beeindruckende Studioproduktionsumgebung mit neuester Technik.
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