Cranborne Audio Carnaby HE2

Zweikanal-Harmonic-EQ mit Plug-in-Steuerung

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Autor: Matthias Fuchs | Fotos: Peter Kaminski, Matthias Fuchs (3)

Mit seinem Carnaby Harmonic Equaliser hat der innovative britische Hersteller Cranborne Audio im vergangenen Jahr einiges Aufsehen erregt. Die schicke API 500-Kassette qualifizierte sich als ebenso aufregendes wie unkonventionelles Sound-Bearbeitungsgerät und konnte mit ihren hervorragenden Eigenschaften auch Skeptiker mühelos überzeugen.

Nun hat sich der Carnaby Harmonic EQ zu einem ausgewachsenen Rack-Gerät weiterentwickelt – mit zwei Kanälen und einem vollständig neuen Bedienkonzept via Plug-in. Grund genug, sich auch den Cranborne Audio Carnaby 2HE genau anzusehen.

Kurz gesagt, verstärkt und beschneidet der Carnaby bestimmte Frequenzbereiche (entsprechend einem konventionellen EQ) und reichert diese zusätzlich mit Obertönen an (die „Exciter“- oder „Saturator-Natur“ des Gerätes). Man könnte also etwas lapidar von einem EQ auf Steroiden sprechen. An diesem höchst interessanten Prinzip hat sich – ebenso wie an der Schaltungstechnik des sogenannten „Saturation Cores“ und dessen grundsätzlichen Klangeigenschaften nichts geändert. Wir wollen uns deshalb an dieser Stelle insbesondere mit den Unterschieden des neuen HE2 beschäftigen. Für sämtliche weitere Info verweisen wir auf den schon erschienenen Testbericht des Carnaby 500 500er-Moduls.

Konzeption und Ausstattung

Neben den augenfälligen Neuerungen und dem veränderten Formfaktor ist vor allem das Bedienkonzept des HE2 vollkommen umgestrickt. Das lückenlos ausgestattete Frontpanel mit seinen Tastern, Encodern und LED-Kränzen wird nun durch ein DAW-Plug-in ergänzt, welches bei Bedarf die Steuerung des Carnaby HE2 vollständig übernehmen kann. Ebenso lassen sich darüber alle Parameter automatisieren und Presets speichern. Die Verbindung zum Rechner erfolgt via USB-C oder eine (zum Zeitpunkt des Tests noch nicht fertig implementierte) Netzwerkanbindung.

Aber auch audioseitig gibt es Neues: Den eigentlichen, dreibandigen EQ/Saturator-Segmenten sind nun je ein Hoch- und Tiefpass vorgeschaltet. Die beiden schon bekannten Betriebsmodi Mono und Stereo sind um einen M/S-Modus ergänzt – wie wir noch feststellen werden, eine höchst interessante Angelegenheit und ein echter Zugewinn für den HE2. Schließlich bietet das Gerät einen Stereo-Insert. Er befindet sich zwischen De- und Encoder der internen Mitte/Seiten-Matrix und ermöglicht es, beliebige Outboard-Geräte im M/S-Modus zu betreiben.

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Vervollständigt wird die Ausstattung durch XLR In/Outs, Stereo-Klinken für den Insert-Weg sowie ein internes Netzteil mit Schalter und zusätzlichem An/Aus-Taster.

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Wer vermutet, im Carnaby HE2 befänden sich einfach nur zwei Boards des 500er Moduls plus etwas Peripherie, hat weit gefehlt: Der HE2 besitzt rundum neu konstruierte Boards mit reichlich hochwertiger Elektronik. Laut Hersteller ermöglicht diese Lösung eine bessere Audioperformance und eine einfachere Integration der digitalen Steuerung. Zudem verringern sich die Herstellungskosten bei Verwendung einer Einzelplatine.

Handhabung

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Auch hier wollen wir uns auf die Neuerungen des HE2 fokussieren und erneut auf den Test des Carnaby 500 Moduls verweisen. Die Funktionen der drei Harmonic-EQ-Bänder entsprechen exakt denen des Moduls. Gleiches gilt für die In- und Output-Regler sowie den System-Bypass. Hinzugekommen sind separate Bypässe für die einzelnen Frequenzbänder. Ebenfalls neu sind die schon erwähnten und ebenfalls mit eigener Umgehung ausgestatteten Hoch- und Tiefpässe. Es handelt sich dabei um Shelving-Filter mit proportionaler Güte die sich, abhängig von der Verstärkungs-Einstellung (maximal -3 dB), zwischen sechs und 12dB pro Oktave bewegt. Die Einsatzfrequenzen liegen zwischen 8 und 40 kHz bzw. 18 kHz und 180 Hz. Mit diesen Filtern lässt sich das Programmsignal schon vor den EQ/Sättigungsstufen aufbereiten bzw. für deren Bearbeitung optimieren.

Drei weitere Taster bestimmen den Betriebsmodus (Dual-Mono, Stereo, M/S). Im Stereobetrieb sind sinnvollerweise nur die Bedienelemente der linken Seite aktiv. Im M/S-Modus übernimmt die linke Seite die Mitte, rechts wird das Seitensignal bearbeitet.

Der schon angesprochene Insert lässt sich ebenfalls via Taster aktivieren und leitet das Programmsignal zwischen M/S-De- und Encoder über die rückseitigen Klinkenbuchsen nach außen und wieder zurück. So kann man mit Hilfe des Carnaby HE2 sein Lieblings-Outboard nun endlich auch im M/S-Modus betreiben.

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Vervollständigt wird die Ausstattung durch eine großformatige LED-Anzeige mit Peak-Hold-Funktion sowie einen An/Aus-Button. Der rückseitige Netzschalter kann also eingeschaltet bleiben.

Bei sämtlichen Reglern handelt es sich um leicht gerasterte, qualitativ sehr hochwertige Encoder mit farbigen LED-Kränzen. Alle Taster besitzen Status-LEDs. Somit wird bei der Steuerung via Plug-in der aktuelle Betriebszustand lückenlos visualisiert. Die Verbindung zum Rechner erfolgt momentan via USB-C. Netzwerkkompatibilität soll in Kürze nachgereicht werden.

Das Plug-in

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Das Steuer-Plug-in des Carnaby HE2 ist derzeit in den Formaten VST3 und AU erhältlich, AAX stand zum Test noch nicht bereit, sollte aber bei der Testveröffentlichung auch bereitstehen. Auch eine Stand-alone Version steht zur Verfügung.

Das angenehm schlicht und übersichtlich gestaltete Plug-in zeigt sämtliche Bedienelemente der Hardware. Da sich im Dual-Mono und M/S-Betrieb pro Kanal unterschiedliche Presets laden lassen, besitzen in diesen Modi beide Kanäle eine eigene Preset-Verwaltung. Ist Auto-Connect aktiv, wird beim Öffnen eines DAW-Projekts der angeschlossene Carnaby HE2 erkannt und sämtliche Parametereinstellungen geladen. Mit einem Klick kann bei Bedarf zu den aktuellen Hardware-Settings gewechselt werden (Restore Hardware State). Alle Parameteränderungen lassen sich in der DAW als Automationsdaten aufzeichnen und ohne wahrnehmbare Latenz wiedergeben. Die LEDs und LED-Kränze der Hardware kommentieren die Werteänderungen. Die Helligkeit der Bedienelemente ist via Plug-in regelbar.

Gespräch mit Sean Karpowicz

Wir hatten Gelegenheit zu einem ausführlichen Gespräch mit Cranborne Audios Managing-Director und Mitbegründer Sean Karpowicz, welches wir hier zusammengefasst wiedergeben möchten.

Sean Karpowicz

Laut Sean Karpowicz beschäftigte man sich erstmals bei der Entwicklung des Camden Preamps und dessen Übertrager-basierten Mojo-Schaltung intensiv mit dem Thema Sättigung und ihrer technischen Umsetzung. In der Folge begann man kreativ zu werden und überlegte, „was sich mit Sättigungseffekten noch alles anstellen ließe“. Insbesondere ging man der Frage nach optimaler, musikalischer Anwendbarkeit nach: Wie könne man Sättigung maximal kontrollierbar machen? Wie ließen sich die unerwünschten Effekte und Artefakte ausblenden? Vier Jahre Grundlagenforschung, Schaltungsentwicklung und Optimierung sowie reger Austausch mit Musikern und Produzenten brachten schließlich die bekannte, in drei Frequenzbereiche unterteilte Kombination aus EQ und Saturationsstufen namens Carnaby hervor.

Mit dem Carnaby 2HE wurde nun das nächste Kapitel aufgeschlagen: Die hier relevante Frage lautete: Welchen Erfordernissen muss Analogtechnik in einer modernen Studioumgebung genügen? Schließlich standen die optimale Einbindung in Mix- und Mastering-Prozesse mit lückenlosem Total-Recall an der Spitze der To-Do-Liste. Um präzise Reproduzierbarbeit der Parameter-Settings, latenzfreie Steuerung und saubere, artefaktefreie Arbeitsweise aller Komponenten zu garantieren, entschied man sich für eine Neukonstruktion mit nur einer Platine plus Panelboard.

Die Zukunft von Analogaudio sieht Sean Karpowicz durchaus optimistisch. Überall dort, wo maximal linear arbeitende Korrekturwerkzeuge gefragt sind, eigne sich Digitaltechnik bzw. Software perfekt. Ginge es jedoch darum, dem Klang etwas endscheidendes hinzuzufügen, liege die Analogtechnik per se vorne, denn die Interaktion von verschiedensten chaotischen Prozessen ließe sich in letzter Konsequenz nicht perfekt nachbilden. In der Kombination aus analogem Sound und Total-Recall sieht Sean Karpowicz noch viel Potential für die Zukunft.

Praxis

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Die erste Inbetriebnahme des Carnaby HE2 vollzog sich bei unserem Testgerät erfreulich einfach und unspektakulär: Das, vom knappen aber vollständigen Handbuch empfohlene Firmware-Update erfolgte ebenso einfach wie die Installation und der erste Start des Plug-ins. Sollte der Carnaby vom Host-Rechner nicht erkannt werden, empfiehlt sich der Wechsel des USB-Kabels. Hier gibt es durchaus Unterschiede – ein, mit dem Smartphone funktionierendes Kabel muss nicht zwangsläufig mit dem Carnaby kompatibel sein.

Bei der, zum Testzeitpunkt verfügbaren Firmware und dem Plug-in handelte es sich um Beta-Versionen. Auch wenn die diesbezügliche Argumentation der Hersteller in weiten Bereichen durchaus nachvollziehbar ist, bleibt grundsätzlich ein gewisses Unbehagen angesichts der Tatsache, dass zahlende Kunden ungefragt zu Beta-Testern gemacht werden. Und noch wichtiger – gerade im professionellen Bereich will und muss man sich auf die maximale Zuverlässigkeit seines Equipments verlassen können.

Glücklicherweise haben sich entsprechende Befürchtungen beim Carnaby HE2 als unbegründet erwiesen: Unser Testgerät arbeitete mit einem Intel Core i5 iMac (OS 14.1.2) und Logic Pro 10.7.4 rundum zufriedenstellend und ohne jegliche Einschränkungen oder gar Abstürze.

Vom Laden des aktuellen Projekts mit den Carnaby-Settings, über die Aufzeichnung und latenzfreie Wiedergabe von Automationsdaten (für Logic Pro wird der Latch-Mode empfohlen) bis hin zur Preset-Verwaltung arbeitete das Gespann aus Hardware und Plug-in vorbildlich. Sämtliche Parameteränderungen erfolgten zudem frei von Artefakten wie etwa Knacksern oder Zipper-Noise.

Die klanglichen Qualitäten und die damit einhergehenden musikalischen Nutzungsmöglichkeiten wurden schon im Rahmen des Carnaby 500 Moduls ausführlich dargelegt. Unterschiedlichste Signale werden durch die Bearbeitung als frischer, dynamischer und präsenter empfunden und/oder passen sich noch besser in ihre klangliche Umgebung ein. Der neue HE2 liefert uneingeschränkt all diese Qualitäten und setzt sogar noch ein paar Highlights darauf: Mit Hilfe der Hoch- und Tiefpassfilter lässt sich das Programmmaterial noch gezielter auf die eigentliche Bearbeitung abstimmen – ohne zusätzliche Geräte.

Der Knaller ist jedoch der M/S-Modus des HE2: Durch die Trennung von Mitte- und Seitensignal eröffnen sich insbesondere bei der Bearbeitung von Stems und Mixen neue Welten. So lässt etwa die subtile Betonung der Höhenbereiche des Seitensignals nicht nur eine gesteigerte Präsenz und Lautheit zu, das Signal wird auch hörbar breiter und, in passender Abstimmung mit dem Mittenanteil, räumlicher. Umgekehrt lässt sich ein durchsetzungsstarkes Lowend ohne unerwünschte Nebenwirkungen erzeugen oder ein Solches wirkungsvoll betonen. Mit extremeren Settings kann man bestimmte Signalanteile noch besser hörbar anzerren, ohne dadurch Tightness und Kontur zu verlieren. Grundsätzlich ist jedoch eine feine und sorgfältige Justage aller Parameter notwendig, um optimale Ergebnisse zu erzielen.

Fazit

Mit dem Carnaby HE2 hat Cranborne Audio ein ebenso spezielles wie aufregendes Sound-Bearbeitungsgerät auf ein neues Level heben können. Als rundum hochwertig gefertigtes Kreativ-Tool für Recording und Mix profitiert der neue HE2 von zusätzlichen Funktionen wie etwa dem großartigen M/S-Betriebsmodus. Die externe Nutzungsmöglichkeit der M/S-Matrix ist zudem ein höchst willkommenes Extra. Lässt man sich auf die Besonderheiten des Gerätes ein, kann man mit dem Carnaby HE2 großartige Ergebnisse erzielen, die mit anderen Geräten nicht oder nur ansatzweise machbar sind.

Darüber hinaus zeigt sich das Gerät als Musterbeispiel für die gelungene Integration von Hardware-Outboard in eine rechnerbasierte Studioumgebung. Die Einbindung der Hardware in die DAW mit dem Plug-In hat hervorragend funktioniert und äußerst zügige, effektive Workflows ermöglicht. Echter Analog-Sound und Total Recal ergänzen sich hier erstklassig. Wer zumeist mit Stereosignalen arbeitet und auf eine optimale Integration in sein DAW-Setup Wert legt, sollte die notwendigen 2400 Euro budgetieren und dem Carnaby HE2 gegenüber dem ebenfalls großartigen 500er Modul den Vorzug geben.

Der Preis des Carnaby HE2 beträgt ca. 2.400 Euro. Die Produkte von Cranborne Audio werden in Deutschland von Mega Audio vertrieben, die uns auch das Testgerät bereitstellten.

www.cranborne-audio.com
www.megaaudio.de