Sennheiser HD 490 PRO

offener Studiokopfhörer mit dynamischem Wandler

Autor und Fotos: Peter Kaminski

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Zur NAMM 2024 brachte Sennheiser den neuen professionellen Studiokopfhörer HD 490 PRO heraus. Sennheiser selbst hat sich ja seit den letzten Jahren auf den professionellen Markt konzentriert und die Schweizer Sonova Holding AG hat die Marke Sennheiser im Consumer-Segment übernommen. Alle Kopfhörer im Consumer-Segment tragen die Modellbezeichnung HD in Verbindung mit einer Zahl ab 500. Die professionelle Serie dagegen sind die Modellnummern im 400er Bereich. Wir haben ja schon den Sennheiser HD 400 PRO getestet und vorgestellt, der aber noch auf der Basis eines Kopfhörers aus der Consumer-Serie entstand. Das ist nun beim HD 490 PRO ganz anders, denn der Hörer ist eine Neuentwicklung und das Flaggschiff in der Serie der Kopfhörer für professionellen Anwendungen und bietet eine ganze Reihe von Besonderheiten.

Konzept und Technische Daten

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Eines wird beim ersten Blick auf den Kopfhörer deutlich: es handelt sich um einen ohrumschließenden, vor allem akustisch offenen Kopfhörer mit dynamischem Wandlerprinzip. Hier hat man alles so offen wie möglich gestaltet. Das Gewicht beträgt 260 Gramm ohne angestecktes Anschlusskabel.

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Die beiden Wandler haben einen Durchmesser von 38 Millimeter mit einem Neodym-Magneten, wie die meisten modernen Kopfhörer. Es wurde als Basis ein existierender Treiber herangezogen, der aber durch viele Hörversuche modifiziert und auf die Bedürfnisse der professionellen Anwender optimiert wurde. Aber wie wir im weiteren Verlauf sehen werden hat Sennheiser den Klang nicht nur durch den Treiber geformt. Es gibt am Wandler noch einen sogenannten Low Frequency Cylinder, den man im oberen Bild auch gut um den Wandler herum erkennen kann, der den Bassbereich abstimmt und für einen klaren Bass ohne Artefakte sorgen soll. Den Übertragungsbereich gibt Sennheiser mit 5 Hz bis 36,1 kHz an (-10 dB).

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Der maximale Schalldruck beträgt 128 dB SPL (bei 1 kHz u. 5 % THD) und die Empfindlichkeit wird mit 105 dB SPL (1 kHz/1 Veff), bzw. 96 dB SPL (1 kHz/1 mW) angegeben. Die Impedanz ist mit 130 Ohm (@ 1 kHz) im mittleren Bereich und die Nennleistung beträgt 300 mW.

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Der beiden Muscheln des Kopfhörers lassen sich auch umklappen, so dass der Kopfhörer auch flach auf dem Tisch liegen kann. Hier sind auch innen in den Ohrmuscheln deutlich die Kanalbezeichnungen aufgeprägt.

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Eine sehr gute Idee sind die fühlbaren Markierungen zur Kopfhörerausrichtung beim HD 490 PRO. Bei der richtigen Tragerichtung sind hinten zwei Mulden angebracht und bei der Mulde auf der linken Seite am Bügel der Kopfhörermuschel sind drei Punkte (siehe Abb. oben) eingeprägt. Man nimmt den Hörer in die Hand und erfühlt daher sofort, ob er die korrekte Ausrichtung hat.

Lieferumfang

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Die HD 490 PRO Version enthält den Kopfhörer und zwei verschiedenen Ohrpolster (Velour/Stoff) sowie ein 1,8 Meter langes Anschlusskabel für den unsymmetrischen Betrieb (3,5-mm-Stereo-Klinkenstecker mit aufschraubbarem 6,3-mm-Klinkenadapter).

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Beim HD 490 PRO Plus ist zusätzlich noch ein Transport-Case (s. Abb. oben), ein alternatives Kopfhörerbügelpolster aus Stoff (s. Abb. unten) sowie noch ein drei Meter langes Anschlusskabel mit Klinkenstecker (auch 3,5 mm sowie mit 6,3-mm-Adapter) im Lieferumfang enthalten. Auf der Kopfhörerseite ist das Kabel in einem Bereich knapp unter dem Stecker als Spirale geformt, um zu vermeiden, dass über das Kabel Körperschall übertragen wird.

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Als Software wird noch ein Freischaltungs-Code für eine Lizenz des dearVR MIX-SE Plug-In mitgeliefert.

Kopfhörerbügel

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Die Kopfbügelpolster bestehen aus zwei Kissen und in der Mitte ist daher eine Lücke.

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Der Kopfbügel lässt sich auf jeder Seite um ca. 37 Millimeter verschieben, also ca. 75 mm insgesamt. Der Bügelauszug ist gerastert und auf der Oberseite ist auch eine Skala aufgebracht, damit man den Auszug auf beiden Seiten gleich einstellen kann.

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In der rechten Innenseite des Kopfhörerbügels ist Seriennummer des Kopfhörers aufgedruckt. Damit kann man seinen eigenen Hörer immer wieder identifizieren.

Ohrpolster

Das Besondere am HD 490 ist unter anderem, dass zwei verschiedene Ohrpolster-Paare mitgeliefert werden und zwar die kuscheligen aus Velour, die ab Werk aufgebracht sind und ein zweites Paar aus Stoff. Bei der Stoffvariante ist der Stoff innen und außen auch noch unterschiedlich. Diese Materialen verfügen über unterschiedliche akustische Eigenschaften, besonders was die Luftdurchlässigkeit angeht und somit hat der Anwender auch die Möglichkeit durch den Tausch der Ohrpolster Einfluss auf den Klang zu nehmen. Beim HD 490 PRO Plus wird der Polster unter dem Bügel auch in einer Stoffvariante mitgeliefert. Das ist aber lediglich eine Design-Optimierung und hat keine akustischen Hintergründe.

Hier einmal ein Vergleich einer Messung von Sennheiser mit dem Übertragungsbereich beider Ohrpolstertypen.

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Die Kurve oben zeigt den Übertragungsbereich mit den Velour- und unten die mit den Stoff-Ohrpolstern.

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Im Vergleich sieht man im Bassbereich, dass der Verlauf bei den Velour-Polstern im Bassbereich bei ca. 90 Hz gegenüber der Referenz bei 1 kHz ca. 5 dB mehr Pegel aufweist. Der Übertragungsbereich mit Stoff ist deutlich linearer. Auch im Bereich ab ca. 3 kHz ist etwas mehr Pegel vorhanden als bei den Stoff-Ohrpolstern. Daher spricht Sennheiser bei den Velour-Polstern von einer Optimierung für den Einsatz im Producing-Bereich und bei den Stoffpolstern von einer Optimierung für das Mixing. Wir werden das im Praxisabschnitt näher bewerten.   

Symmetrischer Betrieb

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Eine weitere erfreuliche Besonderheit ist die, dass am Kopfhörer Mini-XLR-Buchsen in beiden Ohrmuscheln verbaut sind. Man kann also den Anschluss rechts oder links nutzen und den nicht benutzen durch einen Gummipfropfen abdecken.

Über die vierpoligen Mini-XLR-Buchsen sind die Massen beider Wandler getrennt herausgeführt, so dass ein symmetrischer Anschluss möglich ist. Auch für den symmetrischen Betrieb reicht ein Kabel auf einer Seite, was ein grundsätzlicher Vorteil in Bezug auf den Tragekomfor ist.

Im Consumer-Bereich von Sennheiser sind ja einige Hörer, wie der HD 660S oder HD 800S, symmetrisch anschließbar. Wer sich mehr über die Vorteile des symmetrischen Betriebs informieren möchte, dem sei das Kopfhörerverstärker Kochbuch von Fried Reim ans Herz gelegt, welches man bei uns kostenfrei herunterladen kann.

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Sennheiser bietet übrigens für den symmetrischen Betrieb als Option ein Kabel mit dem sogenannten Pentaconn-Stecker (ein 4,4-mm-TRRRS-Klinkenstecker) an (s. Abb. oben). Diese Buchse findet man bei vielen sehr hochwertigen High-End-Kopfhörerverstärker, wie bei denen von Violectric.

Im professionellen, bzw. musikproduzierenden Segment findet man eher einen XLR-4 als Anschluss für einen symmetrischen Kopfhörer, wie an dem Lake People G108 , den auch wir als Referenz-Kopfhörerverstärker für den symmetrischen Betrieb nutzen oder dem SPL Phonitor XE. Es gibt hier auch Adapter auf XLR-4 aber die sind extrem teuer und sind am Kopfhörerverstärker auch etwas instabil. Wir sind aber auf die kleine Manufaktur "Audioverse" in Bobingen gestoßen und haben einmal angefragt, ob man ein Kabel speziell für den HD 490PRO im professionellen Umfeld fertigen könnte und man hat dann eines in das Programm aufgenommen.

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Das Kabel (Bestellnummer 00225) mit vier sauerstofffreien Leitungen mit 0,4 mm Durchmesser, Spiralwendelschirm mit 95 % Abdeckung, Nylon Paracord Typ IV Mantel, Rean RT4 FC-B Stecker auf der Kopfhörerseite und Neutrik NC4 MXX-B (mit Goldkontakte) auf der Kopfhörerverstärker-Seite. Audioverse bietet das Kabel für knapp über 60 Euro an [zum Online-Shop von Audioverse]. Ein mehr als angemessener Preis für das hochwertige Kabel. Der Mini-XLR von Rean rastet etwas straffer ein und ggf. muss man den Hebel zum Lösen bei den ersten Steckvorgängen ein paar Mal ganz bis zum Ende durchdrücken und dann lässt er sich wie gewohnt vom Kopfhörer lösen.

Praxis

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Kommen wir als erstes einmal zum Tragekomfort. Sennheiser hat viel Mühe aufgewendet, das Design so zu gestalten, dass unabhängig von Kopfgröße, bzw. Kopfform und genutzter Polstertyp, ein sehr ähnlichen Anpressdruck auf den Kopf wirkt. Das wird einmal durch die Biegungsgrad des Kopfhörers realisiert. Hier hilft auch, dass die Stelle, wo sich der Bügel verstellen lässt, relativ hoch ist. Zudem sind die Achsen der Kopfhörermuscheln etwas nach innen gestellt und der Hörer liegt dadurch etwas schräg auf dem Kopf auf. Der kontrollierte Anpressdruck und die versetzte Achse sorgt auch dafür, dass das Kopfhörerpolster um das Ohr herum komplett auf dem Kopf aufliegt und keine Lücke entsteht, die das Druckverhältnis und somit auch den Klang, beeinflussen würde.

Das Ganze funktioniert in der Praxis auch perfekt. Ich persönlich habe durchaus mit einigen Kopfhörern Probleme mit Druckstellen bei langem Tragen. Durch die Lücke in der Mitte bei den Kopfbügelpolstern und den adaptiven Anpressdruck ist auch das lange Tragen überhaupt kein Problem. Der Komfort ist ausgesprochen gut. Die Lücke bei den Kopfpolstern hat auch noch den Vorteil einer einfacheren Ausrichtung bei Benutzung von Head Trackern und ggf. eine bessere Montagemöglichkeit.

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Kommen wir nun zu den Kopfhörer-Ohrmuschel-Polstern. Die Kopfhörerposter haben auf beiden Seiten eine kleine Lücke im Schaum unter der Oberfläche. Das bietet Brillenträgern einen weiteren Tragekomfort, denn der Brillenbügel stört einfach weniger bei aufgesetztem Kopfhörer.

Es gibt ja zwei Polster-Versionen. Das setzt aber natürlich voraus, dass man die Kopfhörerpolster auch tauschen kann und das möglichst einfach. Wer schon mal die Polster bei seinem Kopfhörer versucht hat zu tauschen wird vielleicht auch schon mal erlebt haben, dass das auch mal zur Herausforderung werden kann. Ganz anders beim HD 490 PRO. Die Polster sitzen auch einem Kunststoffträger (s. Abb. oben, gesehen von der Rückseite).  Man muss sich einfach nur trauen an dem Polster kräftig zu ziehen und dann ist es gelöst. Es gibt zwar an den Kopfhörerpolstern eine Naht, die ab Werk nach unten ausgerichtet wird, aber im Prinzip sind die Polster symmetrisch aufgebaut. Durch zwei Noppen auf jeder Seite lässt sich zum Befestigen das Polster einfach ausrichten und durch einen leichten Druck oben und unten rastet der Träger am Kopfhörer ein. Wenn man dass ein paar Mal gemacht hat geht der Tausch in Sekunden von statten.

Das hat aber nicht nur den Vorteil, dass man schnell mal die akustischen Verhältnisse und somit den Klang ändern kann, dazu gleich mehr, sondern auch Pflege betreiben kann. Wenn das Polstermaterial selbst schon Einfluss auf den Klang hat, dann werden verschmutzte oder gar defekte Polster dies auch haben. Man kann die Polster aber nicht nur einfach tauschen und ersetzen, sondern auch bei 30 Grad in der Waschmaschine waschen und dann an der Luft trocknen lassen. Überhaupt hinterlassen die Polster mit dem Kunststoffträger einen sehr robusten und langlebigen Eindruck.

Die Kopfhörerimpedanz des HD 490 PRO ist so ausgelegt, dass sie in der Mitte der Impedanzen von üblichen Studiokopfhörern liegen, die ja auch zum Teil bis zu 600 Ohm Impedanz haben können. Durch die 130 Ohm ist aber auch gewährleistet, dass man den HD 490 PRO auch mal an einen Kopfhörerausgang eines Synthies oder mobilen Interfaces problemlos betreiben kann, wo die Ausgangsimpedanz des Verstärkers nicht so niedrig ist, wie bei einem professionellen Kopfhörerverstärker.

Nun zum Klang des HD 490 PRO. Ich würde grundsätzlich den Klang als klassisch bezeichnen, sehr rund und kein harscher Sound mit extremer Betonung auf Transienten sondern mit dem Fokus auf ein harmonisches Gesamtbild in Verbindung mit einer hohen Auflösung und Detailtreue. Auch die Transitenwiedergaben ist ausgezeichnet. Der Klang dürfte von vielen als warm empfunden werden, weil die Basswiedergabe wirklich sehr gut abgestimmt ist.

Und damit kommen wir auch zu den Klangunterschieden von den verschiedenen Polstern. Der Klangunterschied zwischen den beiden Polster-Typen ist erstaunlich groß. Bei den Veloure-Polstern ist deutlich mehr Bass vorhanden und mehr Druck im unteren Frequenzbereich. Sehr angenehm um einfach Musik zu hören und zu genießen. Bei der Stoff-Polster-Variante ist der Klang deutlich linearer, was besonders im unteren Frequenzbereich wahrnehmbar wird. Der Bass ist hier vom Pegel, bzw. der Energie her, präziser positioniert, was den Anwender beim Mischen und Mastern unterstützt, um so hier auch eine perfekte klangliche Balance zu finden. Keine Frage, dass man beim Mischen und Mastern die Stoffvariante bevorzugen wird. 

Fazit

Der Preis für den HD 490 PRO liegt bei ca. 400 Euro und der des HD 490 PRO Plus mit den zusätzlichen Optionen bei ca. 480 Euro. Das Kabel für den Anschluss an einen symmetrischen Kopfhörerverstärker liegt bei 40 Euro. Für den symmetrischen Betrieb an Kopfhörerverstärkern mit XLR-4-Buchse gibt es ja das erwähnte Kabel von Audioverse für eine Preis von ca. 60 Euro.

Der HD 490 PRO bietet einen sehr hohen Tragekomfort in Verbindung mit einer exzellenten Verarbeitungsqualität. Die vielen Kleinigkeiten wie: Aussparungen für Brillenbügel, die fühlbaren Links/Rechts, bzw. vorne/hinten Markierungen, Möglichkeit des symmetrischen Betriebs etc., bringen in der Summe einen hohen Mehrwert. Danke der leicht wechselbaren und sehr klangbeeinflussenden Kopfhörerpolster bekommt der Anwender des HD 490 PRO quasi zwei Kopfhörer in einem Produkt geboten. Der Klang überzeugt zudem auf ganzer Linie und hier ist es Sennheiser mit dem HD 490 PRO gelungen, einen hochqualitativen Kopfhörer für den professionellen Anwender anzubieten. Viele der High-End-Kopfhörer orientierten sich klanglich bisher ja eher an den Kunden des High-End-Konsumer-Marktes.

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